INTELLEKTUELLES
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Die Revolution in Buchthalen von 1945

Bekanntlich war Buchthalen seit 1933 vom faschistischen Deutschland umgeben. Aber nicht nur das. Auch die Schaffhauser Regierung bedrängte das freiheitslüsterne Volk der Buchthaler. Kein Wunder, schliesslich liessen sich unsere tapferen Vorfahren weder vom Faschismus noch von den städtischen Bonzen ins Bockshorn jagen. Vielmehr standen sie Tag und Nacht an der Grenze, um Faschos zu jagen oder aber bedrängten Flüchtlingen zu helfen. Vielen wurde so auch Unterschlupf gegeben im gelobten Land. Stand man nicht an der Grenze, so arbeitete man in der Produktion. Auf dem Feld oder in der Fabrik, z.B. dem Grieshaber. Vernachlässigen durfte man natürlich auch die Erziehung nicht, Wir sehen ja, wohin eine bürgerliche Erziehung fährt: Zu Vereinsamung, Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Selbstverliebtheit, Angst, Depression, zu Kleinmut, Argwohn, manisches Misstrauen, Materialisierung aller Werte, auch die Liebe wird als etwas materielles betrachtet. Dies kann ich an einem Beispiel untermauern: In Ausserwiedeln wurde im Sommer 43 ein deutscher Flüchtling, ein Deserteur quasi, aufgenommen und versorgt. Trotz seiner zumindest schwankenden Gesinnung ( er war weder Nazi noch Kommunist , sondern ganz einfach ein Opportunist und Feigling, wie es ja auch fast alle Nazis sind ) wurde er also angenommen und durfte im Buchthaler Wald arbeiten. Pilze suchen. Als er mal zum Fussballtraining von Spartak 3. Generation ging, da brachte er einen Ball mit. Sonst hatte niemand einen Ball dabei. Alle wollten gleich loslegen mit dem Spiel, schliesslich hatten alle die Woche durch 1 00 Stunden gearbeitet und brauchten Ablenkung. So warteten die Genossen nur darauf, dass dieser Junge, der Deutsche, den Ball endlich reinwerfe ins Feld. Dies geschah jedoch nicht. Anstatt dessen wagte sich der Kleine zu sagen: DAT MAT 80 0000 REICHMäRKER T STUNDE. Alle ausser ihm waren schockiert und glaubten an einen Scherz. Doch der glaubte wirklich, er können uns ausbeuten. Da realisierten wir, wie es im faschistischen Europa eben ganz anders zuging als bei uns", sagte mir mein Grossvater über dieses Ereignis. Nachher fragte dann einer der Spartakgenossen, woher er denn den Ball habe. Da brach der an Egotitis leidende in Tränen aus. Brach zusammen. Klar, dass dieser Junge für 5 Jahre in den Wald geschickt wurde. Er hatte dort mit andern Reaktionären tiefe Löcher zu graben. Damals glaubte man noch, unter den wiegenden Wipfeln, unseres glorreichen Waldes sei öL ZU FINDEN. Dies stellte sich leider als Irrtum heraus. Auch Buchthaler können sich irren. Jedenfalls wurde dann der Deutsche nach Ablauf der fünfjährigen Strafe aus dem Wald befreit und zu Motorenöl verarbeitet. Natürlich hätten die verdienten Vorfahren lieber gehabt, dieser noch weiter gelebt. Doch es ging einfach nicht, da er trotz grösster Bemühungen weder seinen Egoismus noch seine Gleichgültigkeit gegenüber allen wichtigen Dingen der Welt aufgab. So wurde eigens für ihn einmal im Buchthaler Wald ein Fussballspiel abgehalten. Spartak Buchthalen gegen die eine Mannschaft gefangener Nazis. In der Endphase des Spiels gab es auf seiten der Nazis 14 Tote zu beklagen, ein einziger lebte noch. Als wir unseren deutschen Waldarbeiter fragten, ob wie diesen auch noch töten sollten, nickte er. DA fragten wir, welchen Unterschied es gäbe zwischen ihm und dem fussballspielenden Nazi ? Er sagte: IHR HOOBT MI OFGNOMME .. Mehr brachte er nicht über die Lippen.. Da merkten unsere Vorfahren, dass diese Aufnahme damals sicher richtig gewesen war, Buchthaler Kommunisten nehmen alle Leute in Not auf. Auch desertierende Nazis. Denn nicht alle von diesen sind mit dem Herzen dabei. Viele waren einfach zu schwach, um sich gegen oben zu wehren. en. Also muss man jedem Menschen eine Chance geben. Doch dann entwickelt sich der Mensch auch. Inmitten von Freiheit, Hilfsbereitschaft, Solidarität und Liebe ist die positive Entwicklung jedes Individuums gut möglich. Schauen wir nur hier in die Runde. Dieser Deutsche aber sprach seinem Landsmann (denn er war im Herzen immer Deutscher geblieben) das Leben ab. Sozusagen das Recht, das er selber genossen hatte. So blieb unseren Grossvätern nichts anderes übrig, als diesen Feigling und Verräter zu öL ZU machen. Den fussballspielenden Nazi liessen sie am Leben. Er lebt heute noch, und arbeitet auf dem Landwirtschaftkollektiv am Nägelisee.

Von Urs Wüthrich,
geschrieben für die GV 1998